Stermann & Grissemann - "Willkommen in der Ohrfeigenanstalt"

Deutsch-österreichische Schlag-Fertigkeit

Es stand endlich mal wieder eine Veranstaltung im BKA an. Dieses Mal gings allerdings nicht ins "Luftschloss" unter den Linden, sondern ins Theater am Mehringdamm in Kreuzberg. Dort erwartete uns eine nette und entspannte Atmosphäre und eine Menge Gleichgesinnter, die sich wie wir auf zwei Stunden Kabarett von und mit Dirk Stermann (D) und Christoph Grissemann (A) freuten.

Photo: Stephan Doleschal

Stermann und Grissemann, da klingelt es sicher bei einigen von Ihnen. Die beiden Verbalterroristen haben sich, unbehelligt von Staatsschutz und Vertriebenenseelsorge, nicht zuletzt auch durch Ihre Radiosendungen beim ORF/FM4 und ORB/radio1 einen durchschlagenden Ruf erstritten. Ab und an treten beide dann auch gerne gemeinsam in der beruflichen Heimat eines von ihnen auf und attackieren das zumeist sehr zahlreich anwesende Publikum mit teils morbiden, teils an den Rand der Zumutbarkeit gehenden Offenbarungen.

Photos: Udo Leitner

Zwei Bespiele: wussten Sie, dass man Analphabeten auch ganz anders als gewöhnlich betonen kann? Oder auch, dass kinderlose, alleinerziehende Männer mit der Doppelbelastung - hier ist allerdings Bier UND Fußball gemeint - schnell überfordert sein können? Nein? Ich bis dahin auch nicht.

Aber schildern wir den Abend doch einfach so, wie er war.

Die Reihen des einzigen Vorstellungssaals Im BKA-Theater am Mehringdamm waren dicht gefüllt, jeder Platz besetzt. Auch in den Gängen und an den Seiten standen noch Zuhörer, die sich das Programm "Willkommen in der Ohrfeigenanstalt" nicht entgehen lassen wollten. Publikum an Rande der Sauerstoffschuld. Augenscheinlich reichen vielen die Stimmen der beiden Akteure nicht - man will sie sehen. Und das ist - nicht nur in Berlin - gut so.

Das Programm gibt vieles her: Wahrheiten über Personen des aktuellen Zeitgeschehens etwa wie Arabella Kiesbauer oder Uschi Glas. Nebenbei bemerkt: bei dem Gedanken an Uschi Glas gleichzeitig den Tod zu assoziieren mag ja noch angehen, aber ein Vergleich zwischen Frau Kiesbauer und "unserem Führer", auch wenn beide gleicher Nationalität sind bzw. waren, wirft schon die Frage nach der Political Correctness der beiden Akteure auf. Schock als Stilmittel.
Ferner finden sich Anekdoten und Insider-Stories der beiden aus Ihrer jeweiligen Moderatorentätigkeit im Programm wieder. Dabei kommen die Sender und einige Kollegen - etwa die österreichische Moderatorin Spira - nicht wirklich gut bei weg, aber das würde niemand im Saal anders erwarten.

Und letztlich sind es dann auch die privaten Geschichten Stermanns und Grissemann, die beide in das gewohnte Licht setzten, das man von Ihnen gewohnt ist: selbstinszenierte Geistesschwäche, Morbidität, Lebensuntauglichkeit gepaart mit Selbstverleugnung und -hass. Eine explosive Mischung für Kopf und Zwerchfell. Vielleicht wollen Sie uns ja anstecken mit Ihrer Krankheit.
Wird erhalten Bericht über private Begebenheiten von Stermann und Grissemann, über Ihre "Urlaube" beispielsweise. Wer kennt sie nicht, die beliebtesten Urlaubsziele eines Mitteleuropäers: Rhodos, Tirana, Duisburg.
Duisburg? Ja Duisburg. Dieser ehemaligen Metropole des schwarzen Goldes, dieser Hauptstadt des Wirtschaftsaufschwungs, dieser Binnenhafengroßmacht entstammt der gute Stermann. Und wer oder was sollte ihn davon abhalten, seinem Publikum davon zu erzählen? Niemand. Das will ja auch keiner.

Schlimmer noch hat es Grissemann erwischt - er ist Österreicher. Der kontert - natürlich in seiner unnachahmlichen morbiden Art - und gibt uns seine Lebenbe(r)ichte zum Besten.
Das macht Freude und Angst zugleich: Freude an der schier endlosen Kreativität, mit der die Protagonisten des Abends uns Ihre Geschichten auftischen, Angst davor, sie könnten es - man stelle sich das vor - wirklich ernst meinen.

Aber das tun Sie gottlob nicht. Oder doch? Finden Sie es heraus!
Weitere Infos, Links, Buchungsmöglichkeiten und Tickets sowie keinen Lebenslauf der Beiden finden sich übrigens unter www.stermann-grissemann.com.

 

Artikel drucken
2004 Gerd M. Fuchs, Berlin