Josef
Hader / Privat
Montag,
26.4.2004 - BKA-Luftschloss, Berlin Mitte. Es
ist kurz vor 20 Uhr und der Saal füllt
sich mehr als ordentlich. Einige wenige Touristen
scheinen sich hierher verirrt zu haben, der
Großteil der Menschen aber, die in den
nächsten zweieinhalb Stunden dem Soloprogramm
"privat" des Kabarettisten Josef Hader
lauschen werden, hat sich eindeutig zielgerichtet
hier her begeben. Und womit? Mit Recht!
Josef
Hader, 42, unter zweifelhaften Umständen
in der benachbarten Alpenrepublik geboren und
doch bis heute überlebend, bietet das,
was man von ihm erwartet: Kabarett at its best!
Und mehr noch: er lässt sich von uns, dem
geneigten Publikum, mit- und hinreißen
zu Offenbarungen, die mehr als nur unser Zwerchfell
anregen.
Das
Spiel vom Steinscheisser-Karl
Das Programm ist "privat" - und das
ist gerade in Berlin auch gut so. Einer leisen
Chronologie folgend beschreibt Hader sich, sein
Leben, seine Wünsche und Phantasien. Letztere
mit leiser lauter Inbrunst, aber vielleicht
ist es gerade das, was so fesselt. Natürlich
finden Spott und Häme für Klerus und
Konsorten genauso Platz in seinem Programm wie
die G´schicht vom Steinscheißer-Karl.
W.. das ist?
sag ich nicht! Besser ist
das. Empfehlung: hingehen.
Das Spiel, besser gesagt, die Erzählungen
darüber, sind mittlerweile Ritual. Größen
der Geschichte werden zu Protagonisten eines
Spiels, das man - einmal begonnen - über
Generationen spielen muss ohne Hoffung, ihm
eines Tages je entkommen zu können. Dies
bezeugen Haders "Helden", die unter
seinen ironischen, zynischen und ungemein wortwitzigen
Kommentaren mit- und aneinander hakeln. Gott
und Teufel im Dialog - von und mit Josef Hader.
Hader
stellt keine Fragen - er gibt Antworten. Warum
hat die Kirche Erfolg: Synergieeffekte. Warum
ist Reinhold Messner in der Hölle: da ist
er vorher noch nicht gewesen. Aber er muss auch
von dort wieder zurückkehren - welch ein
Druck lastet da auf Hader, der sich schließlich
des bärtigen Bergwanderers annimmt. Eine
weitere seiner vielen Bürden, an deren
Last er merklich schwer zu tragen hat.
Hexentanz
vs. Wortwitz
Josef Hader, der Mann, dessen Geburtsurkunde
statt Gemeindesiegel den Stempel des örtlichen
Optikers ziert. Josef Hader, der es nach Wien
und darüber hinaus "geschafft"
hat ohne zu vergessen, wie es ist, wenn die
Tante am Sonntag im väterlichen Hof in
Waldhausen den Hexentanz vollführt. Daran
lässt er uns, sein ihn ständig anpeitschendes
Publikum, verbal und musikalisch gekonnt teilhaben.
Auch emotional. Und wenn wir nachlassen, ihn
zu pushen, dann gibt er Regieanweisungen, die
uns wieder auf den rechten Weg führen.
Wortwitz nennt er das.
Josef
Hader ist sehenswert. Er versteht es gleichermaßen,
globale Themen mit seiner oberösterreichischen
Familiengeschichte zu verbinden und damit jeden
einzelnen seiner Zuhörer individuell zu
bedienen. In aller Bescheidenheit versteht sich.
Selbst den Schlussapplaus verleugnet er - vergeblich,
wie so viele Unternehmungen seines Lebens, von
denen er uns im Laufe des Abends berichtete.
Sein
Programm beschreibt vom ersten Satz bis zum
perfekt harmlos inszenierten Abgang einen sauberen
Bogen - musikalisch und rhetorisch. Faszinierend
ist vor allem, dass er scheinbar hilflos Brocken
ins Publikum wirft, um sie dann ganz zart an
einer Stelle wieder aufzunehmen, wo er uns längst
Glauben gemacht hat, er hätte sie selbst
schon vergessen und es wäre ihm egal, ob
wir das merken oder nicht. Das ist Kabarett
- persönlich, selbstironisch, unerwartet.
Bei
Hader sitzt man besser nicht in der ersten Reihe.
Zu nah ist nicht gut, er könnte abfärben
mit seinem oberösterreichischen Lebenspessimismus.
Vor allem aber riskiert man einen ungewollten
Händedruck des Künstlers, verachtend,
allein aus rein materiellen Beweggründen
begründet. Die Kunst leidet - und Hader
selbst ist deren Inkarnation. Das Bad in der
Menge - bei Hader ein Kreuzgang.
Glauben
Sie das? Fragen Sie Ihren Optiker oder besser
noch: finden Sie es selbst heraus.
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